2. Oktober 2020

Zum Verbot der Erbringung von Nicht-Prüfungsleistungen für Prüfungsmandanten

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Reiner Quick (WPg) – Im Nachgang zum Bilanzskandal bei Wirecard werden zahlreiche Reformvorschläge zur Diskussion gestellt, unter anderem auch das Verbot der Erbringung von Nicht-Prüfungsleistungen für Prüfungsmandanten. Diese Maßnahme könnte die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers stärken, ginge aber mit einem Verlust von aus diesen Leistungen resultierenden Zusatzinformationen über den Mandanten einher. Der Nettoeffekt auf die Prüfungsqualität bleibt unklar. Die empirische Forschung zeigt mehrheitlich auf, dass nicht die tatsächliche Prüfungsqualität, wohl aber die Qualitätswahrnehmungen von Stakeholdern beeinträchtigt werden. Allerdings variieren diese Qualitätswahrnehmungen in Abhängigkeit von der Art der Nicht-Prüfungsleistung, so dass vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Befunde ein generelles Verbot nicht geboten erscheint.

Vor dem Hintergrund internationaler und nationaler Forschungsbefunde gibt es keinen Anlass für ein generelles Beratungsverbot, was mit der eingangs genannten Auffassung des IDW übereinstimmt. Die Befunde deuten darauf hin, dass die Erbringung von Nicht-Prüfungsleistungen nicht zu einer verringerten tatsächlichen Prüfungsqualität führt.
Problematisch sind allerdings die dadurch ausgelösten negativen Qualitätswahrnehmungen. Insoweit lässt sich also eine Erwartungslücke konstatieren.
Zur Schließung einer solchen Erwartungslücke existieren zwei grundsätzliche Ansätze:
Beim defensiven Ansatz geht es darum, Fehlwahrnehmungen der Öffentlichkeit durch Aufklärungsmaßnahmen zu beseitigen. Allerdings gibt es die Diskussion zur Vereinbarkeit von Prüfung und Beratung schon seit Jahrzehnten und Beratungsverbote werden immer wieder zur Diskussion gestellt. Insofern hat es der Berufsstand entweder versäumt, die Öffentlichkeit über die fehlenden negativen Auswirkungen der gleichzeitigen Verrichtung von Prüfungs- und Nicht-Prüfungsleistungen zu unterrichten, oder diese Aufklärungsarbeit blieb fruchtlos.
Der konstruktive Ansatz versucht hingegen, die der Abschlussprüfung zugrunde liegenden Normen an die Erwartungen der Öffentlichkeit anzupassen. Damit ist aber das Problem verknüpft, dass die Erwartungen der Stakeholder heterogen sind, so dass sich die Frage stellt, an welchen Erwartungen sich der Normengeber orientierten soll. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die empirische Forschung zu dem Ergebnis kommt, dass nicht alle Nicht-Prüfungsleistungen zu negativen Erwartungen führen, was gegen ein generelles Beratungsverbot spricht. Vor allem Steuerberatungsleistungen werden oft positiv wahrgenommen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass eine Anpassung der Normen an (in diesem Fall fehlerhafte) Erwartungen der Adressaten des Prüfungsergebnisses mit dem Nachteil einherginge, dass der mögliche Nutzen einer Kombination aus Prüfung und Beratung im Sinne der beschriebenen Knowledge Spillovers verloren geht.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die im Anhang des Konzernabschlusses der Wirecard AG für das Geschäftsjahr 2018 ausgewiesenen Honorare für Nicht-Prüfungsleistungen nur knapp 15 Prozent der Honorare für Abschlussprüfungsleistungen betrugen. Dieser Anteil liegt weit unterhalb der Grenzen, die von der EU bzw. der Wissenschaft als Indikator für eine ökonomische Abhängigkeit angesehen werden.