Am 10. Mai hat eine grosse Trauergemeinde Abschied genommen von Prof. Dr. Dr. André Zünd. Nach dem Abschluss des Studiums mit einer Promotion an der damaligen Handels-Hochschule St. Gallen (HSG) war André Zünd für einige Jahre in verschiedenen Grossunternehmen tätig (so z.B. als Chef der internen Revision von Hoffmann-La Roche). Zudem war er Teil einer Delegation, welche in der damaligen belgischen Kolonie Kongo den Übergang in die Selbständigkeit vorbereitete und unterstützte. Diese Erfahrungen fanden Eingang in seine wegweisende Habilitationsschrift. Es folgten die Ernennung zum Titularprofessor und 1976 zum ausserordentlichen Professor für Treuhand- und Revisionswesen an der HSG, wo er bis zu seiner Emeritierung 1992 lehrte. Seine 1982 publizierte «Revisionslehre» wurde für viele Jahre das Standardwerk der Wirtschaftsprüfung in der Schweiz. Während dieser Zeit war er eng verbunden mit dem nationalen Berufsverband (Treuhandkammer, heute EXPERTsuisse) und er vertrat die Schweiz in Fachgremien der OECD oder der UNO. Diese Erfahrungen haben André Zünd bewegt, 1984 den Aufbau eines eigenständigen Schweizer Standardsetters für Rechnungslegung und die Gründung der Stiftung für Fachempfehlungen zur Rechnungslegung (FER) zu initiieren. Von 1984 bis 1992 war er der erste Präsident der FER-Fachkommission und von 1996 bis 2002 der Präsident des Stiftungsrats. Heute sind die Empfehlungen Swiss GAAP FER die in der Schweiz am häufigsten angewendeten true and fair view-Grundsätze der Rechnungslegung.
Seine Verdienste für die Rechnungslegung und Revision in der Schweiz haben ihm auch international Anerkennung verschafft. So wurde er zum Vize-Präsident der American Accounting Association (AAA) gewählt, nota bene als erster Europäer. In der Schweiz wurde er 1995 ausgezeichnet mit dem Dr. Kausch-Preis der Universität St. Gallen (zusammen mit Prof. em. Dr. Max Boemle). Nach seiner Emeritierung an der HSG nahm André Zünd das Studium der Geschichte an der Universität Zürich auf. So schloss sich der Kreis – denn dieses Studium hatte er schon in seiner Jugendzeit im Auge gehabt, bevor er sich für den Weg in die Welt der Wirtschaft entschloss. 1999 promovierte er mit der Dissertation «Gescheiterte Stadt- und Landreformationen des 16. und 17. Jahrhunderts in der Schweiz». In Freundeskreisen spekulierte man, ob André Zünd auch sein drittes Interessen-Gebiet, die Theologie, mit einem Studium oder gar einer Promotion erschliessen würde. Mit seinem im Jahre 2006 publizierten Buch zu «Visitation und Controlling in der Kirche: Führungshilfen des kirchlichen Managements (Religionsrecht im Dialog)» gab er eine überzeugende Antwort.
André Zünd war ein ebenso anerkannter wie geschätzter Hochschullehrer, der viele Wirtschaftsprüfer mit seiner höchst kompetenten Art geprägt hat. Darüber hinaus war er eine weitsichtige Persönlichkeit, die für viele Jahre die Entwicklung der Revision und der Rechnungslegung in der Schweiz massgeblich beeinflusst hat. Er blieb auch bis ins hohe Alter den aktuellen Entwicklungen verbunden. Sein Werk wirkt fort.